Einleitung:
Antikoagulation Prinzipien

 

Das Gerinnungssystem

Das Gerinnungssystem muß auf der einen Seite das Blut flüssig halten, auf der anderen Seite soll es bei Verletzung in der Lage sein, rasch und lokal begrenzt eine Abdichtung zu erzielen.

Zwischen Fluß und Stau
Abb. 39.1: Zwischen Fluß und Stau

 

In der Entwicklungsgeschichte des Menschen stand dabei letzteres über 400.000 Jahre im Vordergrund.

Der Mensch verfügt dabei über ein fein reguliertes System von Aktivatoren und Inhibitoren des Gerinnungssystems und des Fibrinolysesystems. Die einzelnen Interaktionen sind dabei hochkomplex und können beim individuellen Patienten durch die heutige Analytik nur im Ansatz beschrieben werden. Störungen des Gleichgewichtes führen entweder zu abnormen Blutungen (hämorrhagische Diathese) oder zu einer verstärkten Koagulabilität (Thrombophilie).

Aus didaktischen Gründen werden vaskuläre, korpuskuläre (Thrombozyten) und humorale Gerinnungsfaktoren unterschieden. Im Körper hängen jedoch alle 3 Mechanismen eng zusammen und beeinflussen sich gegenseitig. Im Folgenden seien die Einzelkomponenten hier einmal beschrieben:

Der Thrombozyt in der Mitte
Abb. 39.4-5: Im Fadenkreuz: Thrombozyten (Thrombozyt in der Mitte)

 

  • Thrombozyten: eine Thrombozytenfunktionsstörung führt klassisch zu petechialen Blutungen v.a. in Haut und Schleimhäuten. Eine Aktivierung von Thrombozyten ist ursächlich an der Entstehung eines Herzinfarktes beteiligt, kann aber auch Ursache eines Stentverschlusses sein. Klassische Inhibitoren der Thrombozytenfunktion wirken ganz überwiegend auf den Thrombozyten selber. Moderne Medikamente wie das Ticagrelor haben darüberhinausgehende Effekte auch auf humorale Gerinnungsfaktoren.
  • Humorales Gerinnungssystem: durch einen Mangel an Gerinnungsfaktoren werden typischerweise Ekchymosen (flächige Hautblutungen), Hämatome oder Gelenkeinblutungen ausgelöst. Eine vereinfachte Darstellung des humoralen Gerinnungssystems zeigt Abb. 39.6.
  • Vaskulopathie: typisch sind petechiale Blutungen an hydrostatisch belasteten Körperteilen (z.B. Knöchel) bzw. nach Blutstauung (Rumpel-Leede Test: Prof. Rumpel war übrigens ein in Hamburg tätiger Chirurg. Er leitete das Krankenhaus Barmbek von 1912 bis 1923 (weitere Infos bei Wikipedia >>).
     

 

Die Gerinnungskaskade
Abb. 39.6: Die Gerinnungskaskade - Blutgerinnung und Fibrinolyse
Quelle: Klinikleitfaden Intensivmedizin, 8. Aufl. © Verlag Elsevier GmbH, München.

 

Prinzipien der Blutstillung

Nach Endothelverletzung kommt es parallel zu mehreren Reaktionen, die interagieren:

  • Vasokonstriktion: diese erfolgt reflektorisch und zusätzlich durch die Freisetzung von Mediatoren (Serotonin, ADP und Thromboxan A2) aus aktivierten Thrombozyten.
  • Thrombozytenaggregation: ein „weißer“ Thrombus bildet sich durch eine Thrombozytenadhäsion an Kollagenfasern und anderen Proteinen wie Fibronektin, Vitronektin und Laminin. Dieses „andocken“ wird u.a. durch den von Willebrandfaktor (vWF) vermittelt . Es folgt eine Aktivierung und Thromobozytendegranulation, welche wiederum Fibroblasten und glatte Muskelzellen aktiviert.
  • Die humorale Gerinnungskaskade wird zum einen durch Thrombozyten zum anderen auch durch das Gefäßendothel aktiviert. Letztlich wird Thrombin gebildet, welches das im Blut gelösten Fibrinogen in unlösliches Fibrin überführt. Durch Polymerisierung wird der Thrombozytenpfropf stabilisiert und kontrahiert („roter“ Thrombus). Bei der Gerinnungskaskade wird ein Extrinisches System (Aktivierung nach größeren Gewebeverletzungen) von einem Intrinsischen System (Aktivierung nach Endothelverletzung) unterschieden (s. Abb. 39.6).
     

Inhibitoren des Gerinnungssystems

Hierzu zählen Antithrombin, Protein C und Protein S. Diese Faktoren können die Aktivierung der Gerinnungskaskade hemmen; ein Mangel an diesen Faktoren führt daher zu einer Thrombophilie. Ein Beispiel hierfür ist die APC-Resistenz die weit überwiegend durch eine Faktor-V-Leiden-Mutation verursacht wird.

 

APC-Resistenz: z.B. Faktor-V-Leiden-Mutation

  • nach Entdeckungsort: Universität Leiden
  • 1993 Erstbeschreibung durch Björn Dahlbeck
  • am weitesten verbreiteter erblicher Risikofaktor für die Thromobose-Neigung = Thrombophilie
  • Punktmutation im Faktor-V-Gen an Position 1691: von Guanin zu Adenin.
    Gesund: Faktor-V-Protein an Position 506 = Arginin
    nach Mutation: an Position 506 = Glutamin
  • Faktor-V wird normalerweise durch aktiviertes Protein C (APC) durch Proteolyse abgebaut und dadurch wirkungslos.
  • die Glutamin-Stelle 506 der Mutanten ist „resistent“ gegen aktiviertes Protein C und behält dadurch seine länger gerinnungsfördernde Wirkung
  • Europa: 5 % heterozygote Träger der FVL-Mutation, 0,05-0,5 % sind homozygote Träger
     

>>> Risikoerhöhung für Thrombose
Differenzierung des Risikos zwischen heterozygot: ca. 4fach (LITE-Studie), bei älteren Menschen (z.B. > 50 J.) ohne bisherige VTE wahrscheinlich nicht erhöht. Homozygot: bis ca. 80fach. Wichtig zur Risikoeinschätzung für die heterozygote Form ist die Frage nach nach zusätzlichen Risikofaktoren.

 

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Abb. 39.7: Inzidenz von Beinvenenthrombosen bei F.-V-Leiden-Mutation über das Lebensalter
Mit erhöhter APC-Resistenz steigt die Inzidenz für tiefe Beinvenenthrombosen. 50 % der Frauen, die homozygot für eine APC-Resistenz sind, haben bereits mit dem 35. Lj. mindestens eine Thrombose erlitten [nach Zöller und Dahlbäck, Lancet (1994) 343]  Pubmed >>.

 

Prinzipien der Fibrinolyse

Schon bei der primären Blutstillung wird tPA (Tissue Plasminogen Aktivator) freigesetzt, womit das Fibrinolysesystem aktiviert wird. Dieses dient zum einen der lokalen Begrenzung einer Thrombenbildung, zum anderen stellt es die Gefäßoffenheit sicher. Diese Wirkung wird durch eine Umwandlung von Plasminogen in Plasmin, welches sich an Fibrin bindet, hervorgerufen. Dies führt zu einer Proteolyse der Fibrin-Polymere. Auch für dieses System verfügt der Körper über Inhibitoren (Antiplasmine).

Verbrauchskoagulopathie (DIC)

Bei der DIC werden sowohl das Gerinnungssystem als auch das Fibrinolysesystem gleichzeitig aktiviert. Folge ist die Bildung von Mikrothromben und von Blutungen

OPSI: overwhelming postsplenectomy infection
Abb. 39.8: OPSI overwhelming postsplenectomy infection

 

Heparin, Cumarin, Thrombozytenaggregationshemmer und andere Antikoagulatien greifen an verschiedenen Stellen in die Gerinnung ein.

 

 

Einteilung der Antithrombotika

Einteilung der Antithrombotika
Abb. 39.10: Einteilung der Antithrombotika

 

 

Angriffspunkte der Antithrombotika

Angriffspunkte der Antithrombotika
Abb. 39.11: Pharmakologische Angriffspunkte der Antithrombotika.

 

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